Fenerbahçe Istanbul – Eintracht Frankfurt (2:2)
Europa League
Mittwoch, 13. Dezember 2006
Şükrü Saracoğlu Stadyumu, Istanbul
52.000 Zuschauer



Mit der Eintracht nach Istanbul! Allein der Gedanke weckte schon bis dato ungeahnte Träume und Vorstellungen. Nachdem die Gruppenphase im Herbst ausgelost wurde, galt es kostengünstig nach Istanbul zu kommen. Dies gestaltete sich bei der Buchung des Fluges etwas chaotisch da fast stündlich die Preise der Flüge variierten und es auch etwas dauerte bis man wusste wer nun mit wollte und nicht. Letztlich buchte ich für Micha und mich Frankfurt – Istanbul- Frankfurt für 160 € pro Nase. Das wir am Spieltag erst den Hinflug um 13.30 Uhr gebucht hatten sollte uns im Vorfeld nicht weiter stören, in Istanbul wurde uns die späte Ankunftszeit aber noch zum Verhängnis. Aber der Reihe nach…
Am Mittwochmorgen holte ich Micha gegen 9.30 Uhr am ZOB Fulda ab und zusammen starteten wir im Twingo gen Frankfurt Flughafen. Im Vorfeld hatten wir beide etwas recherchiert wie man vom Atatürk Flughafen am besten in das Stadtzentrum gelangen würde.
Die Sache wurde erschwert das die Frankfurter Fans sich am Dolmabahce Platz treffen sollten, der sich in der Nähe des Taksim Platzes befindet, um von hier aus um 19 Uhr mit von Eintracht Frankfurt angemieteten Bussen zum Stadion befördert zu werden, welches sich auf asiatischer Seite Istanbuls befindet. Der Grund dieser Maßnahme lag jedoch in der Risikoabwehr, dass man sich nicht alleine auf den Weg zum Stadion machen würde, was, so wie es hieß aus Verkehrs- und Sicherheitstechnischen Gründen nicht zu empfehlen sei. Auch im Eintracht Forum wurde die Istanbul Reise aufs heftigste diskutiert, doch außer Panikmache von ein paar Klugscheißern war aus den hunderten von Beiträgen kaum eine vernünftige Info zu ziehen. Am Frankfurter Flughafen klappte alles reibungslos und nachdem man für Hin- und Rückflug eingecheckt hatte, konnte man die verbleibende Zeit noch dazu nutzen um im Schwarzwaldstübchen Binding und Kaffee zu sich zu nehmen. Die Bedienung vor Ort hatte aber scheinbar einen rabenschwarzen Tag erwischt und war echt scheiße drauf! Dank Michas polnisch Kenntnisse konnten ihre, für mich fremd klingende Fluchausbrüche aber ins deutsche übersetzt werden, demnach erstrahlte ihre Laune uns beiden gegenüber auch etwas netter. Am Einlass zum Sicherheitsbereich traf man auf Hopp Hard- Ingo und Schö und auch ein paar Bad Schwalbacher Kollegen hatten den letztmöglichen Flug nach Istanbul noch gewählt. Am Gate angekommen wurde uns dann mitgeteilt, dass der Flieger vierzig Minuten Verspätung haben wird, was die Hoffnung auf ein wohl noch pünktliches ankommen am Dolmabahce weiter schmälerte. Flug an sich recht locker, ohne nennenswerte Zwischenfälle- gut Mittagessen war ein bisschen wenig, und nur zwei Fläschchen Warsteiner, aber wer wird den meckern? Um 18 Uhr Ortszeit landeten wir dann ne ¾ Stunde verspätet in Istanbul und bis man durch die Ausweiskontrolle durch war sollte noch mal fast ne halbe Stunde vergehen. Somit hatte sich das Thema erledigt um 19 Uhr am Dolmabahce zu sein! Dennoch nahmen Micha, ich und ein Teil der Schwalbacher zwei Taxis und starteten Richtung Stadtmitte. Unterwegs wurde heftig telefoniert, letztlich dann auch mit Rudi Köhler, neben Pferd der zweite Fanbetreuer- der zusicherte den letzen Bus bis 19.45 Uhr warten zu lassen! So schien uns das Zeitfenster groß genug noch rechtzeitig anzukommen. Doch während der über einstündigen Fahrt, wurde einem langsam das Ausmaß dieser riesigen Metropole bewusst.
Der Taxifahrer gab dennoch sein bestens und fuhr als wäre der Teufel hinter im her, dennoch konnte er nichts gegen die Verkehrsstockungen tun, die uns wieder und wieder zum stehen verdammten. Letztlich sollten wir es nicht schaffen noch rechtzeitig zu kommen! Die Busse waren alle weg, nur eine handvoll Cops stand noch am Dolmabahce als wir mit unseren beiden Taxis vorfuhren. Die Kollegen die im anderen Taxi unterwegs waren konnten ihren Taxifahrer nicht dazu bewegen gleich bis zum Stadion durchzufahren, somit fragten wir unseren erst gar nicht. Dennoch wartete ein ziviler Pkw noch am Platz der bereit war, vier Personen über den Bosporus hinweg zum Stadion zu bringen. So ließen Micha und ich die Schwalbacher Gruppe zurück und stiegen mit zwei weiteren erneut ins Auto. Verkehrstechnisch ging’s nun besser voran und nachdem man das „Tor zu Asien“ überquert hatte dauerte es nur noch kurze Zeit, bis wir direkt am Gästeeingang des Stadions herausgelassen wurden! Die Frankfurter Zivibullen waren sich sicher, dass wir die letzen seien, man teilte ihnen aber mit, das mindestens noch zwei weitere Taxiladungen kämen müssten- die Gruppe der Schwalbacher halt. Am Gästeeingang dann alles easy, die deutschsprachigen türkischen Kontaktmänner waren locker drauf und auch die Personenkontrolle war längst nicht so scharf wie von einigen prophezeit. Der Eingang zum Block hatte es aber in sich! Eine Stahltür, kaum größer das man gerade durchpasste wies den Weg durch einen schmalen Gang der aus engen Zaunmaschen bestand. Man fühlte sich wie auf dem Weg zum Schafott… Am Ende des Ganges stand man allerdings nicht vor einer Guillotine, sondern vor einem nagelneuen Einlasskontrollsystem mit Ticketscan und Drehkreuz mit grünem Blicklicht! Dennoch Blocksturm kann man hier vergessen! Gegen 20:30 Uhr betraten wir dann den Gästeblock- oder besser gesagt Gästeknast, der von allen Seiten hermetisch abgesichert war. Zunächst schaute man sich etwas um und konnte gleich einige bekannte Gesichter begrüßen. Dann meldete sich aber der Magen und so stellte man sich an einer der beiden Verkaufsstände an um das Futter anzutesten. Auf Cola Turka hatte man keinen Bock, so blieb dann nur noch das Kohlensäurearme Wasser welches man in einer Art Joghurtbecher serviert bekam. Die wartende Schlange war schier endlos lang, aber das Zeug was die Leute in sich rein stopften die es geschafft hatten, sah echt gut aus. Der spätere Geschmackstest bestätigte dies! Ein kleines Weißbrot, mit drei kleinen Fleischfetzen drauf, dazu Zwiebeln, Tomaten und soviel Ketchup und Majo wie man wollte. Dafür das ich davon ausgegangen war, das man im Stadion bestimmt nichts zum beißen bekäme- echt nicht schlecht! Dann rückte der Anpfiff näher… Der Block war echt gut gefüllt, dürften locker 1500 Hessen gewesen sein! Beim Einlaufen der Teams verfiel das ausverkaufte Stadion in einen wahnsinnigen Rausch voller Begeisterung gegenüber ihrem Heimteam. Der türkische Support den ich bis dato noch nicht kannte gefiel mir ohnehin sehr gut, zwar verstand man die Anfeuerungslieder nicht, aber auch türkisch kann rocken!! Dann ging’s los! Gleich in den ersten fünf Minuten wackelte die Eintracht Abwehr zwei mal bedenklich, und so wusste man schon nach kurzer Zeit was für ein harter Kampf dies heute Abend werden sollte- da ja zum Weiterkommen nur ein Sieg reichen würde. Doch wie aus dem nichts stand es plötzlich 0:1!!! Takahara hatte getroffen!! Wahnsinn! Also an ein Auswärtstor hatte ich ja im Leben nicht gedacht, und dann dies! Der Block im totalen Rausch- da wird auch der 2,50m hohe Zaun zum Gartentürchen, an dem man einfach mal hochklettert und die geballte Faust in Richtung „Pöbel- Fraktion Fenerbahce“ streckt. GEIL!! Ihr könnt mir glauben, dies sollte die längste erste Halbzeit meines Lebens werden. Die Türken rannten und rannten wieder und wieder auf das Eintracht Tor zu, doch die Abwehr hielt stand! Halbzeit! Nach dem Wiederanpfiff das gleiche Bild wie zu Beginn des Spieles- Fenerbahce machte Druck- EINTRACHT DAS 0:2!! Wieder Takahara! Gefühle die man nicht in Worten beschreiben kann durchfluteten wohl nicht nur meinen Körper! Wir führten bei Fenerbahce Istanbul mit 0:2 und stünden nun in der nächsten Runde des UEFA- Cups. Das Stadion war tot! Nichts ging mehr auf den Rängen der blau- gelben. Wir hingegen machten das Sükrü Saracoglu zu UNSEREM STADION. Die Türken ließen sich nun verständlicherweise auch gut reizen, was einige im Block unter uns auch gerne auskosteten. Letztlich schlugen sie sich dann selber die Köpfe ein und die Bullen mussten dazwischen gehen. Leute, wenn da kein grenzartiger Zaun zwischen unserem und der benachbarten Tribüne gewesen wäre… Die hätten uns allen die Hälse aufgeschlitzt! Inmitten unserer weiteren Europapokalplanungen fiel der 1:2 Anschlusstreffer. 63. Minute- das wird eng, mein Gedanke! Und es wurde eng! Das Publikum, welches eigentlich gar nicht mehr da war, erwachte wie ein riesiger Dinosaurier und gab nun alles. Alles bedeutete: ohrenbetäubende Pfeifkonzerte bei der Ballannahme eines Eintracht Spielers, Wechselgesang mit allen vier Tribünen und wahnsinniger türkischer Anfeuerungssupport! Doch auch unsere Adler kämpften und versuchten die Angriffe früh zu stoppen- eigene Akzente konnten nun kaum noch gesetzt werden. Dann das AUS! Der Traum vom Weiterkommen im Europapokal platzte wie eine Bombe in der 82. Minute, als Fenerbahce das 2:2 erzielte. „Das war’s“ tippte ich ins Handy und schickte die sms an meinem Bruder der die Situation zu Hause am TV miterleben musste. Stille machte sich breit im Block, versteinerte Gesichter, die vor wenigen Minuten noch in voller Freude standen, ratlose Blicke und zuckende Schultern. Mit letzter Kraft versuchte sich der Frankfurter Adler noch mal aufzurappeln, aber es brachte nichts mehr… Der Traum war ausgeträumt! Das Stadion war wie ein Tollhaus- lästerten wir eben noch höhnisch „und das soll eure Hölle sein?“ Hatten wir sie nun tatsächlich vor Augen gehabt! Mit der Zeit leerten sich die Ränge des Stadions bis auf einen kleinen, gut 200 starken Mob im Oberrang der benachbarten Tribüne. Gegenseitige Provokationen und ein bisschen Spot wurden verteilt, aber nix großes. Die Bullen sahen dem Treiben dann eine Weile zu, bis sie damit anfingen die Türken von der Tribüne zu treiben. Wir mussten dann noch ne ¾ stündige Blocksperre hinnehmen, bevor wir entlang des Polizeispaliers durch ein kleines Wohngebiet zu den Bussen marschieren durften. Da wir mit die letzen waren, waren die meisten Busse schon voll und man rannte kurz etwas planlos umher, dann fanden wir aber noch einen und ab ging’s zurück. War sicher ein klasse Bild wie die 40 Busse durch Fenerbahce und dann über die Bosporus- Brücke fuhren. Zwar ohne große Polizeibegleitung, aber dennoch fett! Am Ende der Brücke grüßte uns ein „Welcome to Europe“- Schild. Wenn man drauf steht, hat das auch was ergreifendes. Zurück am Dolmabahce verlief sich die ganze Sache dann ziemlich schnell. Die einen gingen ins Hotel, die anderen fuhren direkt zum Flughafen, Micha und ich zogen es vor den Taksim Platz noch mal unter die Lupe zu nehmen, mit der Hoffnung auf noch was essbares und vielleicht auch noch auf ein Bierchen- immerhin war es da schon 1.30 Uhr. Doch das McD am Taksim hatte noch offen- für mich ein gefundenes Fressen. Micha zog es vor sich was anderes zu holen und den Gastwirt dabei abzurippen… J Nach dem Mahl war eigentlich noch ein bisschen Luft und man hätte hier und da noch gerne was getrunken, doch das Istanbuler Nachtpublikum sagte mir gar nicht zu… Wurdest an jeder Ecke von irgendwelchen Typen angelabert, die dich irgendwo mit hin zerren wollten und zu mal auch fast überall Schicht war und der Müll schon auf die Straßen geschmissen wurde machten wir uns dann auch mit einer Büchse Efes und nach ein paar Diskussionen mit dem Taxifahrer auf zum Flughafen. Auf einem Parkdeck wurde die Büchse geleert und etwas über Union Berliner Europapokalzeiten philosophiert… Bei Burger King ratzte ich schon beinahe am Tisch, machte mir es dann aber auf ner Bank gemütlich, während Micha etwas durch die Gegend schlenderte. Als man kurz erwachte muss man wohl so bemitleidenswert ausgesehen haben, das zwei attraktive türkische Sicherheitsbeamtinnen damit begannen uns mit Haselnussschokolade zu fütterten… Bis um 5 Uhr wurde dann noch etwas weiter gedöst ehe man zum Gate schlenderte. Hier war dann ne Menge an Kollegen am Start, kurz gesagt, Stefan Weber, Frank Falkenbach und Co., Hopp Hard- Ingo, viele Bekannte Gesichter und auch wieder die Schwalbacher. Boarding und Augen zu! Fast hätten wir dann das Frühstück verpasst, aber nur fast! Den Michas Spürnase, ausgebildet für röstfrischen Kaffeegeruch schlug Alarm, gerade als das Frühstück an uns vorbei rollen wollte. Den Rest der Strecke pennte man dann wieder weitestgehend, und als man dann in Frankfurt aufsetze war der, zwar nicht sportlich erfolgreiche, aber erlebnistechnisch gelungene Tagesausflug so gut wie beendet. Die Stunde hoch nach Fulda ohne Probleme, Micha am Bahnhof verabschiedet und ab nach Hause. Die Müdigkeit hatte ich irgendwie übergangen und so labte ich mich an nem ½ Hähnchen und führte die Eintracht zum UEFA- Cup Sieg- zwar nur auf Playstation2, aber man wird ja wieder Träumen dürfen…
Gruß an ALLE die ich an diesem Tag in Istanbul getroffen habe, auch an Thomas, mit dem ich per Handy während des Spiels kommunizierte, vor allem aber an Micha, mit dem ich einen unvergesslichen Tag erlebt hatte! Hey, wann kommt das mal wieder?